Leichtathletik

49. New York City Marathon 3.11.2019

Es ist Sonntag, 6:30 Uhr Ortszeit und wir - Barbara Lang und Jutta Siefert - sind am Start – genauer im „Start Village“. Um uns herum (uns eingeschlossen) herrscht eine Mischung zwischen Aufregung, Müdigkeit (um 5:15 Uhr wurden wir mit dem Bus abgeholt und hierhergebracht) und Anspannung und es sieht irgendwie so aus, als ob rund 53000 Clochards zu ihrem alljährlichen Betriebsausflug zusammengekommen wären. Dicke, wärmende Kleidung, die im kurz vor dem Start in bereit stehende Behälter gegeben werden kann und später Bedürftigen zugute kommt, sowie farbenfrohe Dunkin-Donat-Mützen, Müllsäcke, um sich die Füße zu wärmen sowie andere fantasievolle Kleidungsstücke, nicht unbedingt letzter Schick, aber dick, prägen das Bild. Denn bis zum Start sind es noch mindestens 3 Stunden und bei zwar herrlich klarem Wetter, aber nur etwa 5 Grad plus und böigem Nordostwind ist jede warme Schicht willkommen. Wir suchen uns einen etwas windgeschützten Platz in unserem Wartebereich hinter unzählige Kisten von Bageln, frühstücken irgendwann und warten…. Was ein Glück, dass wir bereits mit der ersten Welle der Starter um 9:40 Uhr starten dürfen – die letzte Welle rollt erst um 11:00 Uhr los. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie sich die Zeit bis dahin ziehen wird. Um ca 9:20 Uhr wird dann endlich die „green wave start 1“ aufgerufen, wir gehen mit unzähligen anderen Läuferinnen und Läufern in die vorgegebene Richtung, werden nun noch ein bisschen aufgeregter, begeben uns in unsere Corrals (also Startblöcke) und warten wieder…. Doch dann geht es (endlich) los: ein Kanonenschuss, die amerikanische Nationalhymne, Frank Sinatras „New York, New York“, eine kurze Ansprache des Bürgermeisters („See you in the Central Park“) und wir starten über die Verrazzano-Bridge. Über uns kreisen zahlreiche Hubschrauber und die New York City Police lässt es sich nicht nehmen, mit einem weiteren Hubschrauber parallel zu den Läuferinnen zur Brücke zu fliegen und uns zuzuwinken. Auf dem Hudson-River das Kanonenboot mit Wasserfontänen – was ein grandioses Spektakel schon zu Beginn! Und so bleibt es letztlich auch auf der gesamten Strecke. Über eine Million Zuschauer, die einem mit ihrem Jubel und ihrer Begeisterung anfeuern, erstklassige Bands und ein gigantisches Panorama auf unserem Weg durch die fünf Stadtbezirke (Brooklyn, Queens, The Bronx, Harlem und Manhattan) lassen (jedenfalls bei Jutta) jeden guten Vorsatz, das Rennen vorsichtig anzugehen, schwinden. Man wird von der Menge getragen und der großen Freude, an diesem Lauf teilnehmen zu können. Nur auf den fünf Brücken, da war es etwas leiser (was allerdings auch nicht ohne Erholungseffekt war). Da wir fast die einzigen Läuferinnen waren, die unterwegs nicht mit ihren Handys den Lauf dokumentierten, haben wir besonders intensiv geschaut und alles in uns aufgenommen. So verging auch die Zeit beim Laufen wie im Flug! Die Strecke ist auf der ersten Hälfte tendenziell eher flach, sieht man von den Brücken, aber insbesondere der Queensborough-Bridge ab, die sich bei Km 25 auf eine Länge von mehr als einem Kilometer über den East River zieht gerade so viel an Neigungswinkel aufweist, dass es wehtut. Das ist dann auch in etwa der Auftakt zur zweiten Streckenhälfte, die deutlich profilierter ist und uns insbesondere ab km 36, mit dem Eintritt in den Central Park, nochmals alles abverlangt – denn der gesamte Park ist (gestalterisch sicherlich nachvollziehbar) wellig und hügelig angelegt. Und zwar durchweg. Egal, ob man am Anfang zu schnell unterwegs war oder nicht: auf diesem letzten Streckenstück ist Durchhaltevermögen gefragt. Wenn man aber selbst (trotz eigener Erschöpfung) nicht mehr überholt wird, sondern gar noch überholen kann, dann vergehen auch diese Kilometer und die letzte Rampe zum Ziel wird auch noch genommen! Und dann ist es auch schon vorbei! Nicht, dass wir noch hätten weiterlaufen wollen. Genug ist genug. Aber wenn man sich überlegt, wie lange wir uns auf diesen Lauf gefreut und vorbereitet haben, dann sind weniger als 4 Stunden Laufzeit (Barbara: 3.53 h, W 55; Jutta 3:13 h W 50) schon vergleichsweise wenig Profit..…..

Zur Logistik insgesamt: Unterwegs ist bei jeder Meile ein Getränkestand mit Wasser und Gatorade aufgebaut; Bananen sind aber nur bei Meile 20 (ca km 32) und Meile 23 (ca km 37) zu haben. Wenn man wie wir kein Gel verträgt, ist das nicht wirklich üppig. Doch zum Glück hatten wir das schon zuvor in den Unterlagen gesehen und uns kleine Bananen eingesteckt. Damit konnten wir die Strecke bis zur offiziellen Verköstigung selbst überbrücken. Im Zielbereich erhält man neben einer grandios schweren und schönen Medaille eine Knisterfolie sowie einen Verpflegungsbeutel, der alles Notwendige enthält – und dann gilt es nochmals km zurückzulegen, bis man den Central Park an den gekennzeichneten Ausgängen (aber nur an diesen! Und nicht Jeder an jedem Ausgang!) wieder verlassen darf.

Wie kann man all das zusammenfassen? Es war ein wirklich beeindruckendes Lauferlebnis, gigantisch in jeder Hinsicht, und wirklich hervorragend organisiert. Schon auf der Marathonmesse wird man mit einer La- Ola-Welle von freiwilligen Helfern empfangen – und wir waren weder die berühmtesten, noch die einzigen Läuferinnen, die sich Freitagfrüh ihre Unterlagen abholen wollten! Es ist trotz allen Terrors auf der Welt zum Glück auch nirgendwo eine bauliche Barriere oder Sperre zwischen Läufern und Zuschauern – nur der Startbereich ist abgeriegelt (aber da will so früh auch keiner hin, der nicht läuft…). Leider ist das Vergnügen auch recht teuer, weil allein der Startplatz fast 500 Euro kostet. Aber nach unserem Empfinden war es der Lauf allemal wert. Ein echter Höhepunkt in jedem Marathon-Läuferleben, ggf. auch ein guter Schlusspunkt für eine „Marathonkarriere“ – wer weiß. Doch ist New York auch ohne Laufevent eine Reise wert. Eine beeindruckende, sehr vielfältige, lebendige, weltoffene Stadt mit äußerst freundlichen und hilfsbereiten Menschen (am Zoll müssen sie insoweit noch etwas üben, aber es war weniger zeit- und nervenaufreibend, als uns vorhergesagt worden war). Wir hatten zudem echtes Wetterglück und sahen letztlich (fast) nur blauen Himmel und Sonne bei ca 8-15 Grad. So konnten sich an den zwei Tagen nach dem Lauf unsere Beine auf gefühlten weiteren 42 Gehkilometern zwar nicht wirklich erholen, doch haben wir nochmal viel gesehen und die Zeit genossen.

„ Start spreadin' the news, I'm leavin' today -I want to be a part of it -New York, New York.

These vagabond shoes, are longing to stray - Right through the very heart of it -New York, New York“..

(Frank Sinatra)